In Graz gibt es – wie in den meisten größeren Städten – eine sogenannte Mischwasserkanalisation, das bedeutet: Regenwasser vermischt sich mit dem Abwasser aus den Grazer Haushalten und Gewerbebetrieben im rund 860 Kilometer langen Kanalsystem. Grundsätzlich kein Problem – fließt das Mischwasser doch in die Kläranlage der Stadt Graz nach Gössendorf und wird dort in einem mehrstufigen Prozess gereinigt.
Aber: An rund 50 Tagen im Jahr regnet es statistisch gesehen in Graz so stark, dass der jetzige Kanal nicht mehr die gesamten Mischwässer aufnehmen kann. Die Folge: Nur rund 30 Prozent der Schmutzfrachten werden in die Kläranlage geleitet, der Rest wird in die Mur und die Zubringerbäche zur Mur entlastet, was die Wasserqualität des Flusses insbesondere an den Starkregentagen enorm belastet. Pro Jahr gelangten so ca. 660.000 Kilogramm Schmutzstoffe unbehandelt in die Mur.
Abhilfe schafft das Konzept der Mischwasserbewirtschaftung mit dem wesentlichen Bauwerk dem Zentralen Speicherkanal (ZSK): Mit einem Gesamtspeichervolumen von mehr als 100.000 m3 verdoppelt er den Speicherraum im Grazer Kanalnetz und trägt so wesentlich zu einer besseren Wasserqualität der Mur bei. Holding Graz-Vorstand Gert Heigl: „Der ZSK ist das bislang größte Umweltschutzprojekt der Stadt Graz mit einem Investitionsvolumen von mehr als 80 Mio. Euro. Mit seiner Inbetriebnahme werden wir die Schmutzfracht aus dem Kanalsystem halbieren und damit einen nachhaltigen Beitrag zum Gewässerschutz leisten können. Obwohl der Bau mitten durch die Stadt eine große Herausforderung war, liegen wir nach wie vor im Zeitplan und gehen von einer Inbetriebnahme im Jahr 2022 aus.“
Das Herzstück des ZSK bilden sogenannte Kaskadenbauwerke mit Wehranlagen: Durch diese werden die Mischwässer in Abschnitten gespeichert und nach und nach in die Kläranlage zur Reinigung weitergeleitet. Das Ergebnis: Rund 70 Prozent der anfallenden Schmutzfrachten können, je nach freien Kapazitäten in der Kläranlage, gereinigt werden. Die Zahl der Tage, an denen überhaupt Schmutzwasser in die Mur fließt, wird um 80 Prozent reduziert.
Der ZSK verläuft – für die Grazer:innen nicht sichtbar – unterirdisch entlang des linken Murufers von der Radetzkybrücke bis zur Hortgasse und dort weiter Richtung Kläranlage. Mitunter herausfordernd gestaltete sich die Bauabwicklung: Der ZSK wurde teilweise in der linken Murböschung bzw. direkt im Flussbett errichtet. Die Bedienung der Baustelle musste daher über eine eigens errichtete Baustraße im Flussbett erfolgen. Die Baugrubensicherung (Aushubtiefen bis 12 m), die Grundwasserhaltung, die gesamte Baustellenlogistik sowie das hohe Risiko bei Hochwasser stellten bei der Abwicklung zusätzlich eine Herausforderung dar. Mehr als 250 Personen waren in den vergangen vier Jahren beim Bau des ZSK involviert.
Mittlerweile sind die Bauarbeiten erfolgreich abgeschlossen und auch die Wiederherstellung der Böschungen samt Bepflanzungen fertiggestellt. Die Bäume wurden dabei mindestens im Verhältnis 1:1 nachgepflanzt.
Der Probebetrieb Bau startete Anfang September und wird bis voraussichtlich Ende November dauern. Dabei werden alle eingebauten Schieber, Klappen und Wehre samt der Mess- Steuer- und Regeltechnik auf ihre Funktionen geprüft und getestet. Ab 2022 startet der sogenannte Übergangsbetrieb wo je nach freien Kapazitäten in der Kläranlage die Abwässer übernommen werden. Nach Ausbau der Kläranlage und weiterer Baumaßnahmen zur Mischwasserbewirtschaftung (Grazbachkanal, Mariatrostertal usw.) wird die volle Funktionsfähigkeit des ZSK, im Zusammenspiel aller Maßnahmen zur Verringerung der Schmutzfrachteinträge in unsere Grazer Gewässer, gegeben sein.
Anzahl Kaskadenbauwerke: 5 + 3 = 8 Stk
Anzahl Wehre: 9 + 2 = 11 Stk.
Baustahl: 9.000 to
Beton: 80.000 m³
Erdaushub: 430.000 m³
Foto oben:
Vorstandsdirektor Gert Heigl mit dem ZSK-Projektteam Werner Pirkner, Erwin Krenold und Peter Zorko (v. l. n. r.)
Fotos unten:
Vorher-Nachher-Aufnahmen vom BA 73 (Höhe Augartenbad/Augartenbucht)