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„Wär­me-Wende“ in der Stadt Graz

v. l.: Christian Purrer (Vorstand Energie Steiermark), Gert Heigl (Vorstandsdirektor Infrastruktur & Energie Holding Graz), Wolfgang Malik (CEO Holding Graz), Elke Kahr (Bürgermeisterin Graz), Judith Schwentner (Vizebürgermeisterin Graz), Michael Ehmann (SPÖ-Klubobmann), Werner Prutsch (Abteilungsleiter Umweltamt Graz).
© Holding Graz/Foto Fischer

Abhängigkeit von ausländischem Gas, volatile Weltmärkte, enorme Preissteigerungen und nicht zuletzt die unsichere Versorgung der Haushalte: Wie ganz Europa sieht sich auch das Land Steiermark mit dem Landesenergieversorger Energie Steiermark sowie die Stadt Graz auf kommunaler Ebene mit energiepolitischen Herausforderungen konfrontiert und rückt daher die Versorgungssicherheit verbunden mit einer umfassenden Dekarbonisierungsstrategie auf der politischen Agenda ganz nach oben.

Bürgermeisterin Elke Kahr: „Die Diskussionen über einen Importstopp von Erdöl und Erdgas haben uns auch in der Kommunalpolitik unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen vor Augen geführt. Daher sind wir froh, dass sich die bereits 2013 gegründete Arbeitsgruppe „Wärmeversorgung Graz 2030/2040“ parallel zum erfolgreichen Fernwärmeausbau in den letzten Jahren auch mit der Entwicklung zukunftsweisender Projekte für ein emissionsarmes und nachhaltiges Fernwärmesystem für den Großraum Graz beschäftigt hat. Darauf können wir jetzt aufbauen und gemeinsam an der Wärme-Wende für Graz arbeiten“.

Für Bürgermeisterin-Stellvertreterin Judith Schwentner ist „die Klimakrise, noch verschärft durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ökologisch und sozial die größte Herausforderung vor der wir weltweit stehen.“ Für Graz heißt das konkret: „Eine aktive Klimaschutzpolitik ist unabdingbar. Im Kontext der Wärmeerzeugung ist der Ausstieg aus Öl und Gas ebenso unumgänglich wie die bereits erfolgte Sichtung von Alternativen. Das Energiewerk Graz ist ein wichtiger Baustein für ein emissionsarmes und nachhaltiges Fernwärmesystem. Dazu wurde eine umfassende Studie durchgeführt:  Eine moderne lokale Kreislaufwirtschaft, in welcher selbstverständlich Abfallvermeidung und Recycling höchste Priorität haben, gilt es jetzt schnell umzusetzen.“

SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann sieht in den Plänen zur Energiewende auch volkswirtschaftliche Effekte für die steirische Landeshauptstadt: „Nachhaltige Großprojekte schaffen sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsphase Arbeitsplätze und bringen enorme Wertschöpfung nach Graz. Darüber hinaus setzen wir damit einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit: Somit ist das in jeder Hinsicht ein Projekt mit und für die Zukunft!“.  

Foto oben:

v. l.: Christian Purrer (Vorstand Energie Steiermark), Gert Heigl (Vorstandsdirektor Infrastruktur & Energie Holding Graz), Wolfgang Malik (CEO Holding Graz), Elke Kahr (Bürgermeisterin Graz), Judith Schwentner (Vizebürgermeisterin Graz), Michael Ehmann (SPÖ-Klubobmann), Werner Prutsch (Abteilungsleiter Umweltamt Graz).

Erfolgsgeschichte Fernwärmeversorgung auf neuen Wegen

Experten sind sich einig: Die Fernwärmeversorgung im Großraum Graz hat sich in den letzten Jahren mehr als positiv entwickelt und damit wesentlich zur Verbesserung der Luftqualität im Grazer Becken beigetragen. Das kommunale „Energiekonzept 2017“ der Stadt sowie die Initiativen südlicher Umlandgemeinden bildeten die Basis für die Erhöhung der Anschlusswerte um über 40 Prozent in den letzten Jahren, sodass Graz heute über 80.000 fernwärmeversorgte Haushalte zählt.

Werner Prutsch, Abteilungsleiter im Umweltamt der Stadt Graz: „Ergänzend zu diesem Ausbau hat die Arbeitsgruppe „Wärmeversorgung Graz 2030/2040“ bestehend aus Energie Graz, Energie Steiermark Wärme, Holding Graz, Land Steiermark Referat für Energietechnik und Klimaschutz und der Grazer Energieagentur unter der Leitung des Grazer Umweltamtes mitgeholfen, mehrere Projekte aus dem Bereich der Alternativenergie umzusetzen“.

Unter anderem wurden in diesem Prozess die Abwärmenutzung von der Papier- und Zellstofffabrik Sappi Gratkorn, die Nutzung für Niedertemperaturabwärme aus dem Stahl- und Walzwerk Marienhütte für den Stadtteil Reininghaus sowie das thermosolare Speicherprojekt „Helios“ realisiert. Dank dieser Maßnahmen konnte so der Anteil der Aufbringung aus erneuerbaren Quellen und Abwärme von rund 70 GWh im Jahr 2015 auf rund 300 GWh im Jahr 2020 mehr als vervierfacht werden. Der Anteil der Fernwärmeaufbringung aus alternativen Quellen liegt aktuell bei rund 22 Prozent.

Holding Graz-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Malik: „Der Konzern Holding Graz war als Verteiler und Nutzer von Energie schon immer an einer alternativen Aufbringung im Sinne einer effizienten Kreislaufwirtschaft interessiert. Wir versuchten immer eine Vorreiterrolle einzunehmen: Vor 20 Jahren mit der weltweit einzigen Biodiesel-Busflotte (Altspeiseöl) oder später die effiziente Nutzung der industriellen Abwärme des Stahlwerks Marienhütte oder der Papierfabrik Sappi bis hin zu attraktiven Bürgerbeteiligungsmodellen bei PV-Solaranlagen und – nicht zu vergessen – zuletzt das neue Murkraftwerk in Graz zur Eigenversorgung.
Es war stets ein schwieriger Wettbewerb zwischen den fossilen und den alternativen Angeboten. Die aktuelle Entwicklung um die Gasaufbringung und Preisentwicklung dynamisiert die Forderung für einen forcierten Ausstieg aus der fossilen Versorgung. Deshalb haben wir im Konzern gemeinsam mit unseren Partnern Dekarbonisierungsstrategien sowohl für die Energie als auch Mobilität ausgearbeitet. So gibt es einen positiven Entscheid für unsere move2zero Strategie – die Förderung der ersten 17 Busse wurden am Wochenende vom BMK fix zugesagt (€ 15Mio). Sowohl die Umrüstung der gesamten Busflotte und auch die Dekarbonisierung wird nicht von heute auf morgen fertig und umgesetzt sein. Wir werden sie mit unserer Energie Graz aber konsequent verfolgen und in Stufen realisieren.“

Sieben Dekarbonisierungsprojekte bis 2030

Holding Graz-Vorstand Gert Heigl: „Trotz vieler Anstrengungen und Erfolge ist Erdgas aktuell der wesentliche Primärenergieträger für die Fernwärmeversorgung im Großraum Graz. Vor allem mit dem Energiewerk Graz und der energetischen Klärschlammverwertung wird ein wesentlicher Beitrag zur weiteren Ökologisierung sowie zur Reduktion von externen Abhängigkeiten im Energie- und Abfallbereich geleistet“.

Werner Prutsch: „Genau hier setzt der von uns als Arbeitsgruppe erarbeitete „Dekarbonisierungspfad“ bis zum Jahr 2030 an. Der Plan sieht für die langfristige Reduktion des Erdgas-Anteils in der Wärmeaufbringung konkret sieben Projekte mit einer Wärmeproduktionskapazität von rund 660 GWh bis zum Jahr 2030 vor. Wesentlich für alle weiteren Planungen ist allerdings, dass nicht nur der aktuell hohe Erdgaspreis, sondern die grundsätzliche Notwendigkeit einer Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Reduktion der Treibhausgasemissionen als Grundlage aller weiteren Entscheidungen anerkannt wird.“

Überblick über alle sieben Projekte und Zeitplan:

  • Ab 2029 Energiewerk Graz mit ca. 185 GWh jährlich
  • Ab 2022 Erweiterung Abwärmenutzung aus dem Papier- und Zellstoffwerk Sappi Gratkorn mit ca. 40 GWh jährlich
  • Ab 2023 Abwärmenutzung aus der revitalisierten Gasturbine-Thondorf mit ca. 135 GWh jährlich
  • Im Endausbau ab 2024 zusätzliche Restabwärmenutzung Marienhütte mit bis zu 15 GWh jährlich
  • Ab 2026 Erweiterung Abwärmenutzung aus dem Papier- und Zellstoffwerk Sappi Gratkorn mit ca. 50 GWh jährlich
  • Ab 2026 Biomasseanlage mit solarem Speicherprojekt BioSolar Graz mit ca. 200 GWh jährlich
  • Ab 2028 Energetische Klärschlammverwertung (EKV) und Abwärmenutzung aus der Kläranlage der Stadt Graz in Gössendorf mit ca. 36 GWh jährlich

Gert Heigl: „Die Umsetzung der genannten Projekte ist in Hinblick auf eine nachhaltige Dekarbonisierung jedenfalls erforderlich. Neben der zukunftssicheren Versorgung mit Fernwärme wird auch eine langfristige Entsorgungssicherheit von lokalen Reststoffen garantiert“. Dabei ist Graz laut Werner Prutsch aufgrund der Größe des Fernwärmenetzes am besten mit Linz und Wien vergleichbar, wo bereits seit Jahrzehnten auch eigene Reststoffe zur nachhaltigen und ressourcenschonenden Wärmeaufbringung genutzt werden. Prutsch dazu: „Für die Landeshauptstadt Graz könnte die Nutzung der in den Reststoffen enthaltenen Energie gemeinsam mit den bestehenden alternativen Quellen rund 40 Prozent des aktuellen Grazer Fernwärmebedarfs decken“.

 

Studie ergibt zwei konkrete Standorte für innovative Anlagen

Um auch für die Landeshauptstadt Graz Möglichkeiten auszuloten, stadteigene Ressourcen (Reststoffe und Klärschlämme) zur nachhaltigen und ressourcenschonenden Wärmeaufbringung zu nutzen, wurden von Holding Graz, Energie Steiermark und Energie Graz in enger Abstimmung mit dem Umweltamt der Stadt Graz entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Die bereits im 2. Quartal 2020 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sieht im Sinne einer lokalen Kreislaufwirtschaft und unter strikter Einhaltung der sogenannten „Abfallhierarchie“ die Verwertung nicht recyclingfähiger Reststoffe aus Rest- und Sperrmüll sowie von biogenem Klärschlamm in hocheffizienten Anlagen vor, die daraus Wärme, Strom und Wasserstoff für den Großraum Graz bereitstellen.

Als bestgeeigneter Standort für das Energiewerk Graz wurde in den durchgeführten Untersuchungen das Gelände des Fernheizkraftwerkes Graz (Puchstraße) identifiziert. Für die Energetische Klärschlammverwertung (EKV) ergab die Untersuchung das Gelände der städtischen Kläranlage in Gössendorf als Standort.

Energiewerk Graz und EKV als energie- und umweltpolitische Meilensteine

Mit Umsetzung des Projekts wäre in Graz ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit von höchst volatilen Preisentwicklungen auf internationalen Energiemärkten sowie einem drohenden Wegfall von Erdgasimporten gesetzt. Außerdem wäre Sicherheit für die lokale Wärmeversorgung und die eigene Verwertung der Reststoffe geschaffen. Zugleich ergaben die Untersuchungen auch Einsparungen erheblicher Mengen an CO2-Emissionen durch die Substitution von Erdgas für die Wärmeproduktion und den Wegfall von zumindest 1.000.000 Transportkilometern.
Darüber hinaus könnten mit Realisierung eines auf die regionalwirtschaftlichen Bedürfnisse hin ausgerichteten Energiewerks Graz, dank des Einsatzes hocheffizienter Technologien wie z.B. einem Kraft-Wärme-Koppelungsverfahren, auch Produktionskapazitäten für die Wasserstofferzeugung geschaffen werden, wodurch die schrittweise Dekarbonisierung von Bussen der Graz Linien sowie Sammelfahrzeugen der Graz Abfallwirtschaft umgesetzt werden kann.

Die Integration eines 8.000 m³ großen Wärmespeichers rundet die energieeffiziente Gesamtkonzeption der Untersuchungen ab. Als nächsten Schritt wird die Energie Graz detaillierte Untersuchungen durchführen und die notwendigen Unterlagen für das UVP Verfahren vorbereiten.

Grafik erklärt Abläufe der Fernwärmegewinnung aus EGW und EKV
© achtzigzehn

Erreichbare Effekte durch die Nutzung stadteigener Ressourcen zur Energieversorgung:

  • Durch die thermische Verwertung der Reststoffe und Klärschlämme wird Fernwärme für 30.000 Wohnungen in Graz bereitgestellt. Jetzt wird dafür importiertes Erdgas eingesetzt. Es werden 22.000 Tonnen CO2-Emissionen aus der Erdgasverbrennung vermieden.
  • Reduktion der überregionalen und innerstädtischen Verkehrsbelastung: Einsparung von zumindest 1.000.000 Transportkilometern gegenüber Status quo.
  • Beschäftigung und Wertschöpfung sind wertmäßig relevant und zeitlich nachhaltig: 100 Arbeitsplätze in der Steiermark.
  • Emissionsfreier Betrieb von 60 Bussen und LKW mit Wasserstoff.

Weitere Infos zum Energiewerk Graz und zur EKV:

Hier finden Sie alle weiteren Infos und auch etliche Fragen und Antworten!